Freitag, 29. Juni 2012

Ceret (Céret): Stierkampf!

Mit dem Auto von München zurück nach Spanien: Viel erregt die Aufmerksamkeit, die Lust, mal in Ruhe zu schauen, die Notwendigkeit aber, Kilometer zu fressen, erlaubt es nicht. Eine der seltenen Ausnahmen: in Südfrankreich in Céret (katalonisch: Ceret; Languedoc-Roussillon, Département Pyrénées-Orientales, Nord-Katalonien; am Fluß Tech gelegen) veranlaßt diese öffentliche Kundgebung der Stierkampf-Begeisterung einen Halt:


Überraschend, da in Süd-Katalonien (das Katalonien, das zu Spanien gehört) der Stierkampf seit einigen Monaten verboten ist.

Später erfuhr ich, daß es in Ceret eine andere und bedeutendere Brücke gibt, die es wirklich verdient hätte besucht zu werden, aber nun gut - man verzeihe mir ...

Samstag, 23. Juni 2012

Von Gap nach Malbuisson

Die heute zurückzulegende Strecke (von der französischen Stadt Gap - 100 km südlich von Grenoble - bis Malbuisson - 100 km nördlich von Genf) ist nur 380 km lang. Deshalb reicht die Zeit zum Genießen der wunderschönen Landschaften der Ausläufer der französischen Alpen.

Leid, im dichten Netz der Autobahnen eingezwängt zu sein


und all das nur aus dieser Perspektive zu sehen, ohne dort anhalten zu können, wo es am schönsten ist,
 

war es möglich, sich auf Straßen zweiten oder dritten Grades fortzubewegen, die Eindrücke wie diese erlaubten:

Freitag, 22. Juni 2012

Antonio Machado starb in Collioure

Von Figueras Richtung Mittelmeer, das auf der Höhe von Llança erreichend. Der Küste entlang nach Port Bou und zur französischen Grenze fahrend gibt's einige tolle Ausblicke:


So sehr es auch schmerzt: in Port Bou gibt es keinen Halt, weil der letzte Besuch im vergangenen Jahr nur kurz zurücklag. Aber einige Kilometer weiter nördlich, bereits in Frankreich, in Collioure, steht die Suche nach dem Friedhof und dem Grab von Antonio Machado und seiner Mutter (die wenige Tage nach ihm starb) auf dem Programm, die dort im Februar 1939 starben:


Die Fahne des anderen Spaniens, die der Republik, deren Verteidiger Machado bis ans Ende seiner Tage war, fällt ins Auge.- Am Fuß der Grabstelle diese Tafel:


Dies ist die letzte Strophe eines Gedichts ohne Titel, das Antonio Machado 1908 schrieb.

Mein Versuch der Übersetzung ist folgender:
Und wenn der Tag der letzten Fahrt da ist,
und das Schiff zum Ablegen bereit, das nie zurückzukehren braucht,
werdet ihr mich mich an Bord mit leichtem Gepäck finden,
fast nackt, wie die Meereskinder.
Vor Fortsetzung der Reise (das Ziel des heutigen Tages ist Gap (100 km südlich von Grenoble), und nur gut, daß man in diesem Moment noch nichts davon wissen konnte, wie lästig die Fahrt sich gestaltete ...) eine gute Pause in einer Wirtschaft im Zentrum Collioures:




Donnerstag, 21. Juni 2012

Jánovas: ein umsonst verlassenes Dorf

Von Linás de Broto aus viele Stunden in östlicher Richtung fahrend, ohne sich von den Pyrenäen zu entfernen, Straßen mit vielen Kurven und spektakulären Ausblicken: Wunderbar!

Auf der Fahrt durchs Tal des Flusses Ara kommt man, etwa 20 Minuten vor Aínsa, durch ein verlassenes Dorf, das man später von oben sieht:



Auf diesen beiden Photos ist kaum der Kirchturm des Dorfes zu erkennen. Auf der folgenden sind die Spuren besser zu erkennen, die vom Ort bleiben:


Es handelt sich nicht um eins der so vielen Dörfer, die aus welchem Grund auch immer verlassen wurden, sondern um einen besonderen Fall:

Jánovas war eins der Dörfer des Tals, die nach Plänen aus der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts einem großen Stausee weichen sollten. Ländereien und Häuser wurden enteignet - aber anschließend kam es nie zum Beginn der Ausführung des Stausee-Plans.

Die ganze Geschichte ist lang, sechs Jahrzehnte etwa dauert sie schon. Und es handelt sich nicht nur um eine Angelegenheit der Franco-Ära, sondern um eine solche, die ihre Fortsetzung im demokratischen Spanien findet. Bis Anfang dieses Jahrhunderts das ganze Projekt definitiv begraben wurde, Dank seiner Unvereinbarkeit mit gewissen europäischen Normen zum Umweltschutz.

Jetzt läuft die Rückgabe von Ländereien und Häusern an ihre ehemaligen Besitzer oder an deren Erben. Aber aus der Sicht der Nutznießer der Enteignungen jener Epoche (das heißt: die großen Energieunternehmen) dreht sich's darum, daß die alten Besitzer ihren ehemaligen Besitz von den derzeitigen Besitzern zurückzukaufen haben.

All diese Absurditäten sind ziemlich gut im Netz dokumentiert:
 y en otros sitios más, hasta en diferentes idiomas.

Ob all dies in einer Zukunft zur Wiederbelebung von Jánovas führt ... Wer weiß?

In diesem Sinn handelt es sich bei Jánovas um ein umsonst verlassenes Dorf.

Die Zeit zum Mittagessen naht. In einem Tal, in dem unten ein Fluß zu sehen und zu hören ist, scheint es einen idealen Platz zu geben. Aber das Verbot ist deutlichst:


(Zone heftiger Wasserstandsschwankungen
Es ist gefährlich, das Flußbett zu betreten)

Also gibt's keinen anderen Ausweg, um die Weinflasche und die Füße an diesem ersten Sommertag mit entsprechender Hitze zu kühlen: sich mit einer Quelle neben der Straße begnügen:


die freilich das Wasser so üppig sprudeln läßt, daß kein Wunsch offenbleibt:

Mittwoch, 20. Juni 2012

Via Tarazona nach Linás de Broto

Von Maderuelo (Prov. Segovia) aus über Soria auf die Pyrenäen zufahrend kommt man durch Tarazona (Prov. Zaragoza) und bemerkt am Ortseingang dieses Beispiel von Industriearchitektur, was den Entschluß zum Halten bewirkt:


Nach näherer Betrachtung der Ruine dieses Industriekomplexes, in seiner aktiven Zeit eine Mühle, Besuch des vor mehr als zwei Jahrhunderten erbauten Plaza de Toros (Stierkampf-Platz), nicht mehr benutzt als solcher, aber weiterhin von gewisser Originalität:


Zur Dämmerung Ankunft in dem kleinen Ort Linás de Broto (Prov. Huesca), in einem Pyrenäental in sehr gefälliger Umgebung liegend:


Trotz der abgelegenen Lage des Dorfes wird er von einem Autobus angefahren (Linie von Sabiñánigo nach Sarvisé und Ainsa), und in der - es muß betont werden: gut ausgestatteten und sauberen! - Haltestelle ist sein Fahrplan ausgehängt, eine nicht in ganz Spanien übliche Transparenz:


Einen schlimmen und traurigen Eindruck bietet dagegen dieser elektronische Informationsstand, der obendrein, trotz der Kosten für das dahinterstehende System, nicht funktioniert:

Samstag, 2. Juni 2012

Dies ist kein x-beliebiger Tag

Dies ist kein x-beliebiger Tag: so nennt sich eine Sendung im spanischen Rundfunk; klar, dort heißt sie etwas anders, nämlich No es un día cualquiera - ich habe es halt so wie in der Überschrift gegeben zu übertragen versucht.

Bei einem (nicht in die Tiefe gehenden) Blick in die Medienlandschaft Deutschlands und Spaniens fällt auf, daß es solch ein Müll-Blatt wie die Tageszeitung Bild, mit riesiger Auflage, in Spanien nicht gibt.- Ein Fernsehgerät habe ich weder in Deutschland noch in Spanien - deshalb kann ich in dieser Hinsicht nichts sagen.- Aber das Radio begeistert mich, ich höre es ausgiebigst, sowohl dort als auch hier. Ich traue mich zu sagen, daß es in Deutschland im allgemeinen von höherer Qualität als in Spanien ist - was vielleicht seine Erklärung darin findet, daß wir in Deutschland, um es hören zu können, eine Gebühr bezahlen müssen. (Klar, ich spreche hier nur vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk; das Privatradio, mit wenigen Ausnahmen, ist hinsichtlich seiner wenig anspruchsvollen und drum entsprechend dürftig ausfallenden Qualität in beiden Ländern vergleichbar ...).

Aber eine Radiosendung gibt's, im ersten Programm von Radio Nacional de España, jeden Samstag und Sonntag von 8 bis 13 Uhr - und zu ihr gibt es im deutschen Rundfunk kein Äquivalent:

Für No es un día cualquiera (Dies ist kein x-beliebiger Tag) wird das Produktionsstudio an irgendeinen Ort Spaniens verlegt; das heißt, daß das Radio, normalerweise dazu neigend, den durch die Hauptstadt oder die Metropole bestimmten Zentralismus zu reproduzieren, sich physisch der Provinz und der Peripherie nähert, was für sich genommen bereits ein Signal bildet.

Präsentiert und geleitet wird dieses Programm von Pepa Fernández; sie und ihr Team geben dieser Sendung das ganz besondere Flair, das bewirkt, daß man sich zuhaus nicht von den Lautsprechern vor dem Ende der Sendung trennen mag. Als angekündigt wurde, daß heute (und morgen) No es un día cualquiera von der Casa de la Cultura (Kulturhaus) in Aranda de Duero aus gesendet würde, 30 km entfernt von dem Ort, an dem ich derzeit bin, war es klar, an diesem Ereignis teilzunehmen: Das erste Mal in meinem Leben, daß ich die Möglichkeit habe, einer Radiosendung direkt beizuwohnen!

Jede volle Stunde, das heißt um Punkt 9, 10, 11 und 12 Uhr, wird der Nachrichtensendung wegen während einiger Minuten die Direktsendung aus der Casa de la Cultura unterbrochen. Aber klar, weil wir sozusagen noch auf Sendung sind und abwarten, deren Zügel im gegebenen Moment wieder voll zu übernehmen, werden wir auch mit diesen Nachrichten beschallt. Offizielle Nachrichten, die davon sprechen, daß der König nach Valladolid gereist sei, um dem Tag der Streitkräfte beizuwohnen - was nach Nachrichten aus dem vorvergangenen Jahrhundert klingt, die einen auffälligen Gegensatz zu den zeitgemäßen Fragestellungen und der Aktualität der Sendung bilden, der wir direkt folgen ...

Diese Unterbrechungen lassen alle ein wenig aufatmen, sowohl das Team als auch das Publikum, das in die Casa de la Cultura gekommen ist, um der Sendung direkt folgen zu können. Gut, die Moderatorin fährt fort, so konzentriert zu sein wie fast immer; die übrigen Mitglieder der Mannschaft erlauben sich eine gewisse Entspannung:



José Ramón Pardo (der Doktor Pardo) begrüßt José Miguel Viñas (den Meteorologen):



Victoria Fernández (links im Hintergrund) kümmert sich um den reibungslosen Ablauf des Geschehens. Álex Grijelmo (Verteidiger der spanischen Sprache) und Leontxo García (Schachspezialist) nahmen auf dem Podium Platz:



Später tut das Laura García Agustín (die Psychologin, die, die POSITIVA-MENTE denkt):



Später ändert sich die Zusammensetzung des Podiums: es titt Nieves Concostrina auf (die der Grabsteine, aber vor allem die, die uns die Geschichte so sehen macht, wie sie ist, befreit von so vielen interessegeleiteten Verherrlichungen, und deswegen von sehr großer Popularität) und ein junger Mann, der nicht zum Team gehört, sondern als besonderer Gast eingeladen ist, der Radfahrer Antonio Ontoso aus Aranda de Duero:









Pepa Fernández spricht mit dem Gast:



Antonio Ontoso erfuhr im Alter von wenig mehr als 20 Jahren, daß er eine Herzinsuffienz hat, die ihn derart leiden ließ, daß er sich schließlich zu einer Herztransplantation entschließt, die 1999 stattfand. Einige Monate danach beginnt er mit dem Fahrradfahren, zunächst im Rahmen der Rekonvaleszenz und von körperlichem Training, aber bald danach bereits auf sportlicher und wettbewerbsorientierter Ebene, sowohl national als auch international. Was mich am meisten beeindruckte, war die Rundfahrt in der Provinz Burgos, eine Tour von etwa 500 km in etwa 24 Stunden - und er kam gut ans Ziel, und pünktlich!: Respekt (von jemandem, der auch Fahrradfahrer ist, wenn auch auf bescheidenerem Niveau)!!

Alles hat ein Ende, das Signal der Moderatorin, in einer so eleganten Form, wie sie auch während der ganzen Sendung die musikalischen Einlagen zu steuern pflog:



Nach der Sendung ist das Team für jedermann offen, der mit ihm sprechen will. Zum Beispiel widmet sich Nieves Concostrina dem Firmieren ihrer Bücher, die der Entmythifizierung so vieler historischer Märchen wegen berühmt sind:



In gleicher Weise trifft sich die Leiterin des Programmes zusammen mit Mitgliedern ihrer Mannschaft mit dem Publikum:





Pepa Fernández wurde 2008 mit dem Premio Ondas a la Trayectoria Profesional dafür ausgezeichnet, daß sie ein offenes, vielseitiges, niemanden ausschließendes, unterhaltsames, anspruchsvolles Radio macht, in dem das Traditionelle und das Neue sich in überraschender Verträglichkeit verbinden (“por hacer una radio abierta, plural, no
excluyente, entretenida, culta y en la que lo tradicional y lo nuevo se
abrazan con sorprendente coherencia”).


Diese Zusammenfassung ist meinem Eindruck nach vollständig, ihr bleibt nichts hinzuzufügen.

Hoffen wir, daß dieses Projekt einer Bildung und Aufklärung verpflichteten Rundfunksendung nicht den Tendenzen zur Involution zum Opfer fällt, die derzeit in Spanien den Ton angeben und sich unter anderem hinter den Sparmaßnahmen verstecken, zu denen das Land sich gezwungen sieht.