Freitag, 5. Februar 2010

Atomares Zwischenlager in Campo de San Pedro?

Campo de San Pedro ist ein Dorf in der Provinz Segovia, das zwar noch als klein angesehen werden muß (etwa 360 Wahlberechtigte), das aber etwas mehr als die umliegenden Dörfer hat: 3 Wirtschaften, 2 Sparkassen, ein Reisebüro, ein Gewerbegebiet ...

Es ragt außerdem einiger ziemlich hoher Silos wegen heraus, die nicht nur der Lagerung des Getreides dienen, sondern für eine unglaubliche Zahl von Störchen eine Basis für deren Nester bilden. Vom obersten Geschoß aus sieht man sowohl den Ort (im Vordergrund ein Storchennest):

... als auch jenseits der Bahngleise die umgebende Landschaft:

Es gibt eine Bahnstation, auf der kein Zug mehr hält:

Ohne Halt fahren pro Tag zwei Züge durch, von Burgos nach Madrid und umgekehrt:

In den vergangenen Wochen gab es Anzeichen, daß sich das ändern kann, denn die Gemeindeverwaltung von Campo de San Pedro hat bei der Zentralregierung in Madrid darum gebeten, daß man ein atomares Zwischenlager (andere drücken es deutlicher aus: einen Friedhof radioaktiver Abfälle) auf ihrer Gemarkung errichten möge.

Um genauer zu sein: zunächst war die Ablehnung der Bevölkerung gegen diesen Nuklearfriedhof derart stark, daß der aus 7 Mitgliedern bestehende Gemeinderat am 24. Januar diesen Jahres beschloß, sich nicht beim Ministerio de Industria in Madrid um den Zuschlag jenes Zwischenlagers zu bemühen. Am 2. Februar aber trat er erneut und dieses Mal heimlich zusammen, und jetzt sagte er Ja, er möchte den Friedhof nuklearer Abfälle in seiner Gemeinde haben.

Und auffällig ist, daß das Ministerium in Madrid sofort diesen Antrag in die Liste der übrigen Kandidaturen aufnahm, obgleich die Einreichungsfrist bereits am 29. Januar abgelaufen war. Es scheint mächtige Interessen zu geben, die bewirken, daß man sich nicht an die in der Ausschreibung festgesetzte Frist hielt.

Falls die Mauscheleien weitergehen und Erfolg haben, wird es eines Tages mehr und tragfähigere Eisenbahngleise geben, die Campo de San Pedro mit dem Rest Spaniens verbinden, aber im schlechtesten Fall auch weiterhin keinen Personenzug, der dort hält. In der Tat ist der damit einhergehenden Gefahr wegen der Transport radioaktiver Güter auf der Schiene vorzuziehen, und vor diesem Hintergrund ist es umso besser, je weniger die Schienen von anderen Dienstleistungen benutzt werden; so könnte man es auch besser verstehen, warum an einem Nuklearfriedhof ausgerechnet in Campo de San Pedro ein derartiges Interesse besteht.

Auch wird man dann die Breite dieser Straße und den Verkehr auf ihr vervielfacht sehen, die von Campo de San Pedro zum Terrain führt, auf dem das Zwischenlager angelegt würde:

Letzte Meldung: Für den Nachmittag des 4. Februar wurde eine weitere Sitzung der 7 Gemeinderatsmitglieder einberufen; in der wurde (mit 6 Stimmen dafür und 1 Stimme dagegen) beschlossen, die Kandidatur Campo de SAn Pedros für ein atomares Zwischenlager zurückzuziehen.

Ich zitiere aus El Adelantado de Segovia, der Zeitung der Provinz: An dieser Stelle hört der Film erst einmal auf ...

Bei meinen Bemerkungen beschränkte ich mich auf den lokalen Aspekt der Angelegenheit. Den anderen und wichtigeren Aspekt ließ ich beiseite: Wie kann man eine Entscheidung von derartiger Tragweite, wie sie die Frage des Standortes des ersten und einzigen atomaren Zwischenlagers in Spanien bildet, einer Ausschreibung überlassen, an der sich jede auch noch so kleine Gemeinde beteiligen kann? Warum sehen es die Madrider Zentralverwaltung sowie die der Comunidades Autónomas (in etwa: die Länder) sie nicht als ausschließlich in ihrer Kompetenz und Verantwortlichkeit liegend an? Das aber bildet ein anderes Kapitel ...

Sonntag, 31. Januar 2010

Mißlungene typographische Gestaltung

Vor wenigen Tagen kam eine vom Kulturreferat der Stadt München mit der Post versandte Einladung zu einem Kunstereignis an. Wenn man die Sendung öffnete, die gefaltet in einen Standard-Briefumschlag paßte, sah die Präsentation auf den ersten Blick garnicht so schlecht gemacht aus:

(Um ein Mißverständnis zu vermeiden, sei gesagt: die Rückensilhouette gehört nicht der Person, die das Faltblatt betrachtet, sondern bildet als Aufdruck einen Teil desselben.)

Aber wenn Du Dich über Einzelheiten zu Zeit und Ort dieses Ereignisses unterrichten möchtest wie auch darüber, worum es dabei geht, dann bist Du beinahe verloren, mußt Dich bei dem Lesen zumindest sehr anstrengen:

(Ein Trick, um die Zeichen des folgenden Textes zu vergrößern besteht darin, einen "Klick" darauf auszuführen:)

Warum dieses Beharren auf Großbuchstaben? Bei dieser Hartnäckigkeit übersieht man beinahe die ebenso ungeschickte wie orthographisch falsche Umwandlung der Umlaute in AE, OE y UE. (Geheimnis der hinter dieser Gestaltung stehenden Idee bleibt, warum just dann, wenn von dem MaximiliansForum gesprochen wird, und nur hier, zur konventionellen Typographie zurückgekehrt wird ...).

Alles in allem: Wenn zum Ende des laufenden Jahres ein Preis für die am dürftigsten gestaltete Ausstellungs-Einladung vergeben werden würde, hätte ich bereits einen Vorschlag.

Samstag, 30. Januar 2010

Kostümverkauf im Theater

Dieses Mal lädt das Staatstheater am Gärtnerplatz zwischen 10 und 14 Uhr alle Welt ein, unter den angebotenen Theaterkostümen zu wählen und sie bei Gefallen zu kaufen - dieses Angebot kommt gerade rechtzeitig, da der Karneval seinem Höhepunkt zustrebt.

Das prächtige Foyer dieses in wenigen Jahren 150 Jahre alten Theaters sieht man in einen Basar von Kleidung und anderen Accesoires verwandelt:

Einige Ecken der anliegenden Salons fungieren als Anprobierkabinen, um anschließend bestätigt sehen zu können, daß das ausgewählte Stück auch gut paßt:

Klar, auch hier hat alles seinen Preis; die Liste dessen, was zum Verkauf stehende Hüte kosten:

Beim Verlassen des Foyers kommt man zwangsläufig an der Kasse vorbei, an der Du das an Klamotten, was Dich entzückt hat, zu bezahlen hast:

Dienstag, 19. Januar 2010

Spaniens Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union

Seitens des Instituto Cervantes in München wurde die Veranstaltung so angekündigt:

Spanien wird in der ersten Jahreshälfte 2010 die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen. Dabei handelt es sich um die erste Ratspräsidentschaft seit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages. Die Wirtschaftskrise und die Ergebnisse des Kopenhagener Klimagipfels werden zu bewältigen sein. Spanien wird versuchen, dem Konstruktionsprozess eines vereinigten Europas neuen politischen Auftrieb zu geben. Die bayerische Ministerin für Europaangelegenheiten, Emilia Müller, und der Botschafter Spaniens, Rafael Dezcallar, erörtern die aktuelle Situation und die herausragenden Vorhaben dieser so wichtigen EU-Ratspräsidentschaft.

Ich gestehe, daß diese Einladung mich recht neugierig machte, erstens weil ich wußte, daß nach dem Lissaboner Vertrag diese Präsidentschaft von 6 Monaten (die, nachdem die EU größer geworden ist, gerade mal alle 13 Jahre ein Mitgliedsland trifft) nicht mehr die frühere Bedeutung hat. Und außerdem dachte ich: Warum derart viel Aufhebens einer Angelegenheit wegen, die eine Routineangelegenheit bilden sollte?

Nun gut, ich ging hin, nachdem ich mich telephonisch angemeldet hatte.- Als ich ankam hieß es, daß die ersten drei Reihen freibleiben sollten.

Wenige Minuten vor Beginn der Veranstaltung füllten sich die vorderen drei Reihen: viele Herren in dunklen Anzügen und wenige Frauen in dunkelgrauen Kostümen besetzten sie ...

Es glich fast einer Begräbniszeremonie: auf dem Podium ein Cembalo mit einer Farbe, die es einem Sarg ähneln ließ, und daneben ein großer Blumenstrauß.

Eingerahmt wurde die Veranstaltung durch musikalische Beiträge von Robert Schröter (Cembalo) und Miguel Simarro (Violíne), die sich an dem Motto "Spanien in Europa - Europa in Spanien" orientierten und auf die Wechselwirkung abhoben, die es stets zwischen der Musik Spaniens und der von Europa gab: Antonio de Cabezón, Francesc Manalt, Domenico Scarlatti, Francesc Taverna-Bech, Carl Maria von Weber, Arcangelo Corelli.

Die offiziellen Reden: Na ja ... :-))

Eine lange Liste von Plänen und Absichten, die die spanischen Diplomaten vortrugen, unmöglich, sie in 6 Monaten zu verwirklichen. Und klar, in keinem Punkt gab es einen Widerspruch zu dem, was die, die in der EU zu sagen haben, die Merkel und der Sarkozy und wenige andere, vertreten; Zum Eintritt der Türkei in die EU das, was man kennt, und sogar auf eine Frage aus dem Publikum hin traute sich der Botschafter nichts anderes zu antworten als das, was die Staatsraison gebot.

Die bayrische Ministerin für europäische Angelegenheiten hatte es da einfacher: Es gab keine Zweifel, daß ihre Haltung gut mit der harmonisierte, die die haben, die in München und in Berlin zu sagen haben.

Als ich mich für diese Veranstaltung vorbereitete, entdeckte ich diese Seite: Spanische Präsidentschaft. Ich enthalte mich jetzt jeder Aussage über das Erfordernis der Existenz einer solchen Seite, aber was mir auffällt, das ist, daß, wenn man am Fuß dieser Seite auf "Patrocinadores" (=Geldgeber, Sponsoren) klickt, man sieht, um welche es sich handelt: Audi, Skoda, Volkswagen, Seat, Microsoft, Telefónica ....

Jemand, der prinzipiell nicht von den guten Absichten gerade dieser Unternehmen überzeugt ist, fragt sich: Was heißt in diesem Kontext patrocinador oder Sponsor? Sind das die, die die betreffenden Seiten bezahlen? Sind die spanische Regierung und die Europäische Union so arm, daß sie besagte Seiten nicht selbst bezahlen können?

Samstag, 19. Dezember 2009

Nachhaltiger Fehlschlag des Kopenhagener Klimagipfels

(Von einem nachhaltigen Fehlschlag zu sprechen, bedeutet eine sprachliche Fehlleistung, das ist mir klar! Ich meine natürlich so etwas wie einen gründlichen Fehlschlag, und verwendete das Wort nachhaltig in der Überschrift nur, um die weitverbreitete falsche Verwendung des Wortes zu karikieren).

Zu Haus räume ich auf und sehe alte Papiere etc. durch, und just am Tage des definitiven Scheiterns der Kopenhagener Klimakonferenz finde ich diese Postkarte:

Sie dürfte von Anfang 1995 stammen, am Vorabend eines Klimagipfels im März jenes Jahres in Berlin, und unter dem Motto Handeln! ruft sie dazu auf, Unterschriften zu versenden, um die in Berlin versammelten Minister von 160 Ländern dazu zu bewegen, etwas dafür zu tun, was geeignet ist, den Planeten zu retten.

Weder die damaligen Unterschriften noch all das, was wir in den seitherigen 15 Jahren erfahren konnten, vermochten den eingeschlagenen Kurs zu ändern: noch in diesem Jahr förderte man den mit staatlichen Mitteln subventionierten Autokauf und es besteht weiterhin der Plan, eine dritte Startbahn auf dem Münchener und eine vierte auf dem Frankfurter Flughafen zu bauen, und die Idee der Ausrichtung olympischer Winterspiele in München ist auch noch nicht gestorben.

Samstag, 12. Dezember 2009

Einweihung der Straßenbahnlinie 23

Ein großes Ereignis, was das Münchner System des öffentlichen Verkehrs angeht! Nach Jahrzehnten erstmals wieder die Inbetriebnahme einer neuen Straßenbahnverbindung: mit einer Streckenlänge von etwa 3 km, Startpunkt im Stadtteil Schwabing und Ziel ein neues sowohl Wohn- als auch Büroviertel im Norden.

Mindestens 40 Jahre lang gab es nichts anderes als ein Abbau des Straßenbahnnetzes, begründet mit der ständigen Ausdehnung des U-Bahn-Netzes. Man ging in München freilich nie so weit, die Straßenbahnen vollkommen abzuschaffen

Die Straßenbahn-Endhaltestelle liegt auf einem zentralen Platz von Schwabing (kurioserweise mit dem Namen Münchner Freiheit). Eine x-beliebige Haltestelle ist es nicht: die Architekten gaben sich große Mühe, eine Konstruktion zu entwerfen, von der die Presse sagt, daß es in der Welt nur wenige ihr vergleichbare gibt:

Eine Straßenbahn fährt in das Haltestellen-Bauwerk ein:

Unter dem großen Haltestellendach die Treppe, die zur U-Bahn herunterführt:

... und vom Inneren der Haltestelle (gegen die Sonne) nach Süden blickend sieht man die (von starkem und durch keine Notwendigkeit zu erklärenden Verkehr geplagte) Allee, die zum Zentrum Münchens führt:

Den ganzen Tag lang fuhren Straßenbahnzüge die neue Strecke entlang und jeder konnte mitfahren, da Fahrkarten nicht nötig waren - alles lief im Stil eines Volksfestes ab.

Die städtischen Verkehrsbetriebe setzten auch einige jahrzehntealte Wagen ein, mit Personal, das im Stil früherer Epochen gekleidet war:

Kurios und interessant die Lektüre der damaligen Hinweise und Warnungen:

... als, wenn man an ausländische Benutzer der Straßenbahn dachte, nur mit Personen englischer, französischer und italienischer Sprache rechnete:

... und als noch die Währung Mark regierte und eine Strafe (wegen Fahrens ohne Fahrkarte) von deren 20 heftig zu spüren war:

Ein weiteres Ingenieurwerk erregt auf der neuen Linie die Aufmerksamkeit: die Brücke, die die Sperre überwindet, die eine autobahnähnliche Straße bedeutet - eine Brücke, die beispielhaft erscheint, da sie nur Straßenbahnen, Fahrradfahrer und Fußgänger passieren läßt und die Automobile ausschließt:

Es stimmt hier also schon, was die an einem schienengleichen Übergang am Fuß der Brücke aufgestellte Tafel sagt:

... obgleich trotz all dieser Vorteile, die der öffentliche Personennahverkehr in dieser Stadt bietet, die Leute ihren Autos treu bleiben - täglich zu beobachten: schwach besetzte, gelegentlich leere Autobusse und Straßenbahnen, während gleichzeitig und auf den gleichen Strecken, die vom Linienverkehr versorgt werden, der motorisierte Individualverkehr nervt.

Freitag, 11. Dezember 2009

Faultier im Klohäuschen

Der Begriff Faultier wird hier nicht in seinem figurativen Sinn benutzt, sondern bezeichnet das Tier, das vieler Eigenschaften seines Körpers und seines Lebens wegen seinen Namen verdient trägt.

Und Klohäuschen bezieht sich auf jenes denkmalgeschützte Gebäude an der Westeinfahrt der Großmarkthallen Münchens, das jahrelang geschlossen war und seit diesem Jahr für künstlerische Aktivitäten genutzt wird.

Um 7 Uhr nachmittags Einweihung einer Installation von J.C. Leopold - eine Vernissage im Freien, nach Eintritt der Dunkelheit, bei Schneeregen und ziemlicher Kälte, denn die Veranstaltung fand vor der Tür statt, hinter der das imaginäre Faultier von seinem in dschungelartiger Umgebung verborgenen Rückzugspunkt aus durch unaufhörliches Schnarchen auf sich aufmerksam machte.

Eine Tafel läßt die Absichten wissen, die der Künstler mit seinem hier vorgestellten Werk verfolgt:

J.C. Leopold instrumentalisiert das Lebewesen Faultier als Symbol für seinen Ruf nach einem entschleunigteren Leben.

Es war nicht der Augenblick, um diese Losung auf ihre Prämisse hin zu hinterfragen, nach der das Leben bereits entschleunigt ist: was bedauerlicherweise bereits derart beschleunigt ist, kann nicht plötzlich entschleunigter sein, sondern muß vorher Etappen durchlaufen, in denen es erst weniger beschleunigt und dann etwas entschleunigt ist.

Aber wie dem auch sei: Die Idee, die der Künstler zum Ausdruck bringen will, ist äußerst sympathisch und bedenkenswert!

Hier ist J.C. Leopold vor der Tür zu sehen, die seine Arbeit schützt. Auf der Erde steht eine kleine Kochplatte, auf der der Glühwein zubereitet wird, der den Teilnehmern an der Vernissage dazu dient, gegen die Kälte anzukämpfen:

Wenn man durch die Tür ins Innere blickt, erkennt man eine andere Tafel, die mehr Einzelheiten über besagtes Tier und dessen Aussehen sowie sein Verbreitungsgebiet wissen läßt:

... derart, daß wir die Form zu interpretieren verstehen, die das Gebäck hat, das zum Glühwein gereicht wird:

Die Eröffnung endet damit, daß der Künstler verschiedene von ihm ausgewählte literarische Zeugnisse vorliest, die sich mit dem Thema der Notwendigkeit und des Sinns der Entschleunigung des Lebens beschäftigen:

Bis Ende Januar 2010 wird das Faultier an dieser Stelle weiterschnarchen.