Dienstag, 20. April 2010

Vulkanaschebedingte Entschleunigung und die Alternative der Bahn

Die Subdirección General de Coordinación Bibliotecaria des Madrider MInisteriums für Kultur läßt heute mitteilen:
Wir bedauern Euch davon zu informieren, daß der Schwierigkeiten wegen, die es im Luftverkehr die vergangenen Tage gab, wir uns gezwungen gesehen haben, das Treffen der Direktoren europäischer Öffentlicher Bibliotheken, das in Madrid am 22. April im Auditorium des Ministeriums für Kultur stattfinden sollte, auf einen späteren Zeitpunkt zu verlegen ...

Als sich die deutsche Kanzlerin Merkel bei ihrer Rückkehr aus den USA der Asche des Vulkans in Island wegen gezwungen sah, am Nachmittag des Freitags (16. April) in Lissabon zu landen, tauchte ebensowenig als Alternative die Möglichkeit auf, die Reise nach Berlin mit der Eisenbahn fortzusetzen. Sie zog es vor, in Lissabon zu übernachten und am folgenden Tage mit dem Flugzeug nach Rom zu fahren. Dort kam ihr ebensowenig der Gedanke, ihre Reise nach Norden mit dem Zug fortzusetzen - in Italien selbstverständlich ein attraktiveres Fortbewegungsmittel als auf der iberischen Halbinsel -, sondern beschloss, mit dem Auto nach Bozen zu fahren, um dort eine weitere Nacht zu verbringen. Und so weiter mit dem Auto bis Berlin, als wenn es keine Züge gäbe.

Nachrichten dieser Art gab es nach dem Ausbruch des Vulkans in Island reichlich. Und die Reaktionen angesichts der Unmöglichkeit des Fliegens waren unterschiedlichst: im Radio hörte ich die Reportage über ein internationales Kunstereignis in Bonn oder Köln: ein in Dresden wohnender Künstler glänzte fehlender Flugmöglichkeiten wegen durch Abwesenheit (und das trotz des guten Netzes der Bahnverbindungen in Deutschland), während ein Künstler aus Israel durchaus ankam: er flog nach Nizza und mietete sich dort ein Auto.
Am Ende der Diktatur in Portugal kehrte Mário Soares mit einigen seiner Gefährten im Zug aus seinem Pariser Exil nach Lissabon zurück; am 27.4.1974 fuhr er aus Paris ab und kam am folgenden Tag an.

Ich versuchte, den Fahrplan dieses Zuges der Rückkehr oder des Zugs der Freiheit zu rekonstruieren. Dafür verfügte ich über den Horário de Inverno 1978/79 der Caminhos de Ferro Portugueses (Winterfahrplan 1978/79 der Portugiesischen Eisenbahnen), auf dessen Seiten 16 und 17 die Fahrpläne nicht nur von Lissabon nach Madrid und Galizien stehen, sondern auch die von Lissabon nach Paris:

Hier die Verbindungen von Paris nach Lissabon:

Falls die Fahrpläne von 1974 nicht sehr von diesen abwichen, ist anzunehmen, daß der spätere Chef der portugiesischen Regierung in Paris den Zug um 9 Uhr früh nahm, um nach etwas mehr als 25 1/2 Stunden um 9:30 h früh (Ortszeit) in Lissabon anzukommen.

Das stimmt nicht mit der Wikipedia überein, die schreibt, daß Soares und seine Gefährten nachmittags oder abends in Paris in den Sur-Expreso oder Süd-Express genannten Zug einstiegen, um in Lissabon am Nachmittag des folgenden Tages einzutreffen. Deshalb konsulltierte ich das Auslandskursbuch 1972/73 der DB:

Nach diesem Fahrplan verläßt die direkteste Verbindung von Paris und Lissabon Paris um 14:00 h und kommt um 15:15 h des folgenden Tages in Lissabon an.

Heutzutage dauert die Fahrt von Paris nach Lissabon (und umgekehrt) etwa 6 Stunden weniger als damals.
Interessant scheint zu wissen, wie sich die übrigen Verbindungen von Lissabon mit dem restlichen Europa entwickelt haben:

Wenigstens läßt sich heute die Reise von Lissabon nach Vigo in 7 1/4 Stunden machen, wenn auch nur ein einziges Mal pro Tag.

Schlechter verhält es sich da mit der Verbindung zwischen den Hauptstädten Spaniens und Portugals: während es damals (vor mehr als 30 Jahren) zwei Züge gab, von denen der eine etwas mehr als 10 und der andere 11 1/2 Stunden brauchten:

... gibt es heute nur einen einzigen (Nacht-)Zug der für die Strecke 9 1/2 Stunden braucht. Abgesehen davon, daß die Verkützung der Fahrzeit nicht gerade sehr beeindruckend ist, ist des Fortfall der Tagesverbindung zwischen Madrid und Lissabon zu beklagen.

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