Dienstag, 25. September 2012

Marke Spanien

Seit einigen Wochen fallen mir beim Radiohören in Spanien die wiederholten Erwähnungen des Begriffs Marke Spanien auf. Als sich der König kürzlich auf Reisen in New York befand, tat es mir fast leid, daß man diesen Herrn fortgeschrittenen Alters in die Aufgabe der Verteidigung der Marke Spanien verwickelte, eines modernen und sehr im Modetrend liegenden Begriffes, aber zugleich eines Begriffes von zweifelhafter Reputation.

Aber beim heutigen Interview mit Carlos Espinosa de los Monteros (in Radio Nacional de España) wurde ich der starken institutionellen Grundlage gewahr, derer sich der Blödsinn erfreut: Im Juni/Juli schuf die spanische Regierung ein Alto Comisionado de la Marca España (Hohes Komissariat der Marke Spanien) und ernannte Carlos Espinosa de los Monteros zu dessen Direktor. Ohne ihm etwas dafür zu bezahlen - aber Bestandteil seines Alto Comisionado bildet ein Stab von Mitarbeitern, die durchaus bezahlt werden.

Zu Zeiten der Krise, in der überall - beginnend mit der medizinischen Versorgung, beim Unterricht und der Ausbildung weitermachend und beim Schließen von Bibliotheken nicht endend - Ausgaben gekürzt werden, verwundert die Schaffung dieser Einrichtung, die letzten Endes keine andere Aufgaben hat als die, die eh schon von den diplomatischen Vertretungen des Landes wie auch vom Instituto Cervantes und weiteren Stellen wahrgenommen werden.

Vor allem angesichts der täglichen Klage über die Duplizität der Funktionen der nicht strikt zentralistischen Struktur des Landes wegen befremdet es und fällt auf, daß hier eine weitere Duplizität eingeführt wird.

Beim Abhören des Interviews mit dem Chef der neugeschaffenen Behörde (es lohnen wirklich die ersten 11 Minuten!) scheinen mir Schlüsselaussagen, mit denen sich Espinosa de los Monteros positioniert, die folgenden zu sein:
Zweifelsohne ist der König die Person, die sich um die Marke Spanien im Ausland am meisten verdient macht. Außerhalb von Spanien ist das Prestige unseres Königs äußerst groß.
Aber während dieser Ausdruck nostalgischen Monarchismus' angesichts des schlechten Rufs, dem sich das Königshaus derzeit zumindest in Spanien (vielleicht weniger im Ausland, wo man von den Skandalen, die mit dem Königshaus verbunden sind, weniger weiß), ausgesetzt sieht, eher ein Lächeln verursacht, verdienen die folgenden Sätze des Herrn Verteidiger der Marca España nachdrückliche Zurückweisung:
Die Arbeit der Sportler ist eine sehr wichtige, weil sie für etwas gut ist, das ich für sehr bedeutend halte, das darin besteht, das ein Gefühl des Stolzes der Zugehörigkeit zum Land wegen erwacht und zum Ausdruck kommt, das bei sehr vielen Spaniern in vielerlei Art latent vorhanden ist, das verborgen bleibt, und wenn sich irgendein sportlicher Erfolg ereignet, wie wir sie jüngst erlebt haben ... sich also mittels der Sichtbarmachung dieses Gefühls der Zugehörigkeit, des Stolzes, spanisch zu sein, manifestiert, was grundlegend dafür ist, den Ausländern anschließend die Marke Spanien zu verkaufen.
(Zur Sicherheit meine originalsprachige Mitschrift dieser Gesprächspassage:
El trabajo de los deportistas es un trabajo muy importante porque sirve para algo que a lo cual yo doy mucha importancia que es para que se despierte y se manifieste y exteriorice un sentimiento de orgullo de pertenencia al país que está de algunas maneras latente en muchísimos españoles pero que está oculto y cuando se produce algún éxito deportivo como los que hemos vivido últimamente ... pues manifiesta a través de una exteriorización de ese sentimiento de pertenencia, de orgullo de ser español que es fundamental para vender después a los extranjeros la Marca España.)
Dieses Bemühen, den Stolz spanisch zu sein, anzufachen, scheint mir inakzeptabel zu sein, so wie es auch der Versuch wäre, den Stolz deutsch zu sein oder den Stolz luxemburgisch zu sein (etc.) zu wecken.

Bilden nicht die Leidenschaft für die Nation gleich wie die religiöse Leidenschaft die Übel, die derzeit am meisten Unheil in der Welt anrichten?

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