Eine stärkere Erkältung, die ich mir in der vergangenen Woche in Alicante (bei zeitweise fast sommerlichen Temperaturen, daran wird's gelegen haben ...) eingefangen hatte, zwang mich im rauhen Herbst Kastiliens, im wohlgeheizten Zuhause zu bleiben, und ich nutzte das, um mich voll dem Thema der unmittelbar bevorstehenden Rechtschreibreform der spanischen Sprache hinzugeben - und in Rückerinnerung an die deutsche Rechtschreibreform von vor fast 15 Jahren geriet alles zu einer Déjà-vu-Erfahrung.
Informationsgrundlage bildete ein Artikel in El País vom 5.11.2010, der eine Welle von Kommentaren auslöste, mehr als 1400 derzeit (mein Kommentar trägt die Nummer 1406). Die Kommentare sagten mir sehr zu; ich las einige von ihnen, und mehr oder minder stimmten sie in der Einschätzung besagter Reform überein mit meiner Meinung: nämlich, daß es sich bei dieser Reform eher um ein Desaster handelt ...
Dieser Leserbrief vom 10.11.2010 macht an einem Detail der Reform deutlich, wie gering die Vision ihrer Autoren von einer globalen Kultur ist, innerhalb derer sich die spanische Sprache positionieren muß.- Hier die Übersetzung dieses Leserbriefes:
Sie reinigt, festigt und rühmt [die spanische Sprache] ... (das Motto der Real Academia de la Lengua, der Akademie der Sprache Spaniens)
Guillermo Unzetabarrenetxea - Vitoria, Álava - 10/11/2010
Das Arabische verfügt über zwei Laute, die bei der Transkription ins lateinische Alphabet durch den Buchstaben k dargestellt werden können. Die Arabisten haben traditionell die Übereinkunft getroffen, für den einen Laut das k zu verwenden, wie in Kuwait, und für den anderen das q, wie in Qatar. Die RAE (Real Academia Española; d. Übers.) hat entschieden, daß es sich nicht lohnt, Arabisten zu befragen, um die Orthographie arabischer Namen im Spanischen festzulegen. Und daß die Einwohner von Qatar den Respekt nicht verdienen, die offizielle Schreibweise, die sie benutzen, um den Namen ihres Landes ins lateinische Alphabet zu transkribieren, erhalten zu sehen: diese Besonderheit des q ohne ein darauf folgendes u darf im Schwedischen, Französischen oder Serbokroatischen gültig sein, aber jetzt wird sie im Spanischen einen Fehler bilden.
Es handelt sich um eine nützliche und praktische Entscheidung. In einer mittels Internet verbundenen Welt wird Dank ihr jemand, der etwas über ein Sultanat im Persischen Golf sucht, Dutzende von Treffern zu Proben von Wein und Käse und anderen Köstlichkeiten finden ... ("catar" bedeutet im Span. "Verkosten, Probieren"; d. Übers.)
Die Rechtschreibung zu normieren, um denen, die nur das Spanisch der iberischen Halbinsel sprechen, die Aussprache zu erleichtern, scheint mir einen außerordentlichen Fortschritt zu bilden: Schreibweisen zu benutzen, die erkennen lassen, daß die Welt nicht in Burgos oder Toledo endet, bedeutet eine unnütze Komplikation. Der erste Schritt, stets der schwierigste, ist bereits getan: bereiten wir uns nun darauf vor, Líverpul, Cubait (¿Cuvait?), Río de Enero, San Pedroburgo (oder besser: Villasanpedro), Glasgou, Guasinton, Dacar, Nueva Deli, Estutgar ... willkommen zu heißen. Welch Reinheit, Festigkeit und Glanz! Die Universitäten von Jarvar und Cambrich müssen sich beeilen, davon Kenntnis zu nehmen.
Weitere Artikel aus El País:
El País vom 6.11.2010
El País vom 9.11.2010
Die Polemik um das Thema, die im Netz zu finden ist, ist breitgestreut; einige Beispiele:
http://mundootaku.portalmundos.com/ye-truhan-guion-solo/
http://padronel.net/2010/11/07/mis-guin-iraq-y-ex-marido-sern-faltas-de-ortografa-segn-los-nuevos-cambios-de-la-rae/
http://www.literanova.net/index.php/2010/11/15/a-los-academicos-de-la-lengua?blog=8
Hier so etwas wie eine Zusammenfassung von Stimmen aus dem universitären Bereich und die Meinung eines Dichters.
Interessant erscheinen mir auch die Ansichten berufsmäßiger Übersetzer:
http://eltraductorenlasombra.wordpress.com/2010/11/11/reformarse-o-no-reformarse-esa-es-la-cuestion/
(Hier steht ebenfalls ein Kommentar von mir.)
http://elartedetraducir.wordpress.com/2010/11/05/adios-i-griega/
Aus gutem Grund meinen viele der Kommentaristen, daß, wenn man damit beginnt, die Akzente z.B. beim als Adverb benutzten "solo" wie auch bei den substantivisch benutzten Demonstrativ- und Personalpronomen fortzulassen, der nächste Schritt darin bestehen wird, den Akzent z.B. auch bei der Form "dé" des Subjunktivs des Verbes "dar" fortzulassen.
Am Ende wird Gabriel García Márquez Recht behalten, der bereits vor längerer Zeit eine radikale "Reform" der Rechtschreibung in diesem Sinne vorgeschlagen hat.
Vielleicht bildet dieser Beitrag eines Journalisten, dem man zunächst nicht ansieht, ob es sich um einen ernstgemeinten Vorschlag oder um eine Persiflage der sogenannten Reform handelt, eine Skizze dessen, was die Zukunft bringen wird.
Am kommenden 28. November werden sich in Guadalajara (Mexiko) die Vertreter der Sprachakademien von 22 Staaten treffen, um das für bindend zu erklären, was sie ausgekocht haben.
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