Samstag, 2. Juni 2012

Dies ist kein x-beliebiger Tag

Dies ist kein x-beliebiger Tag: so nennt sich eine Sendung im spanischen Rundfunk; klar, dort heißt sie etwas anders, nämlich No es un día cualquiera - ich habe es halt so wie in der Überschrift gegeben zu übertragen versucht.

Bei einem (nicht in die Tiefe gehenden) Blick in die Medienlandschaft Deutschlands und Spaniens fällt auf, daß es solch ein Müll-Blatt wie die Tageszeitung Bild, mit riesiger Auflage, in Spanien nicht gibt.- Ein Fernsehgerät habe ich weder in Deutschland noch in Spanien - deshalb kann ich in dieser Hinsicht nichts sagen.- Aber das Radio begeistert mich, ich höre es ausgiebigst, sowohl dort als auch hier. Ich traue mich zu sagen, daß es in Deutschland im allgemeinen von höherer Qualität als in Spanien ist - was vielleicht seine Erklärung darin findet, daß wir in Deutschland, um es hören zu können, eine Gebühr bezahlen müssen. (Klar, ich spreche hier nur vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk; das Privatradio, mit wenigen Ausnahmen, ist hinsichtlich seiner wenig anspruchsvollen und drum entsprechend dürftig ausfallenden Qualität in beiden Ländern vergleichbar ...).

Aber eine Radiosendung gibt's, im ersten Programm von Radio Nacional de España, jeden Samstag und Sonntag von 8 bis 13 Uhr - und zu ihr gibt es im deutschen Rundfunk kein Äquivalent:

Für No es un día cualquiera (Dies ist kein x-beliebiger Tag) wird das Produktionsstudio an irgendeinen Ort Spaniens verlegt; das heißt, daß das Radio, normalerweise dazu neigend, den durch die Hauptstadt oder die Metropole bestimmten Zentralismus zu reproduzieren, sich physisch der Provinz und der Peripherie nähert, was für sich genommen bereits ein Signal bildet.

Präsentiert und geleitet wird dieses Programm von Pepa Fernández; sie und ihr Team geben dieser Sendung das ganz besondere Flair, das bewirkt, daß man sich zuhaus nicht von den Lautsprechern vor dem Ende der Sendung trennen mag. Als angekündigt wurde, daß heute (und morgen) No es un día cualquiera von der Casa de la Cultura (Kulturhaus) in Aranda de Duero aus gesendet würde, 30 km entfernt von dem Ort, an dem ich derzeit bin, war es klar, an diesem Ereignis teilzunehmen: Das erste Mal in meinem Leben, daß ich die Möglichkeit habe, einer Radiosendung direkt beizuwohnen!

Jede volle Stunde, das heißt um Punkt 9, 10, 11 und 12 Uhr, wird der Nachrichtensendung wegen während einiger Minuten die Direktsendung aus der Casa de la Cultura unterbrochen. Aber klar, weil wir sozusagen noch auf Sendung sind und abwarten, deren Zügel im gegebenen Moment wieder voll zu übernehmen, werden wir auch mit diesen Nachrichten beschallt. Offizielle Nachrichten, die davon sprechen, daß der König nach Valladolid gereist sei, um dem Tag der Streitkräfte beizuwohnen - was nach Nachrichten aus dem vorvergangenen Jahrhundert klingt, die einen auffälligen Gegensatz zu den zeitgemäßen Fragestellungen und der Aktualität der Sendung bilden, der wir direkt folgen ...

Diese Unterbrechungen lassen alle ein wenig aufatmen, sowohl das Team als auch das Publikum, das in die Casa de la Cultura gekommen ist, um der Sendung direkt folgen zu können. Gut, die Moderatorin fährt fort, so konzentriert zu sein wie fast immer; die übrigen Mitglieder der Mannschaft erlauben sich eine gewisse Entspannung:



José Ramón Pardo (der Doktor Pardo) begrüßt José Miguel Viñas (den Meteorologen):



Victoria Fernández (links im Hintergrund) kümmert sich um den reibungslosen Ablauf des Geschehens. Álex Grijelmo (Verteidiger der spanischen Sprache) und Leontxo García (Schachspezialist) nahmen auf dem Podium Platz:



Später tut das Laura García Agustín (die Psychologin, die, die POSITIVA-MENTE denkt):



Später ändert sich die Zusammensetzung des Podiums: es titt Nieves Concostrina auf (die der Grabsteine, aber vor allem die, die uns die Geschichte so sehen macht, wie sie ist, befreit von so vielen interessegeleiteten Verherrlichungen, und deswegen von sehr großer Popularität) und ein junger Mann, der nicht zum Team gehört, sondern als besonderer Gast eingeladen ist, der Radfahrer Antonio Ontoso aus Aranda de Duero:









Pepa Fernández spricht mit dem Gast:



Antonio Ontoso erfuhr im Alter von wenig mehr als 20 Jahren, daß er eine Herzinsuffienz hat, die ihn derart leiden ließ, daß er sich schließlich zu einer Herztransplantation entschließt, die 1999 stattfand. Einige Monate danach beginnt er mit dem Fahrradfahren, zunächst im Rahmen der Rekonvaleszenz und von körperlichem Training, aber bald danach bereits auf sportlicher und wettbewerbsorientierter Ebene, sowohl national als auch international. Was mich am meisten beeindruckte, war die Rundfahrt in der Provinz Burgos, eine Tour von etwa 500 km in etwa 24 Stunden - und er kam gut ans Ziel, und pünktlich!: Respekt (von jemandem, der auch Fahrradfahrer ist, wenn auch auf bescheidenerem Niveau)!!

Alles hat ein Ende, das Signal der Moderatorin, in einer so eleganten Form, wie sie auch während der ganzen Sendung die musikalischen Einlagen zu steuern pflog:



Nach der Sendung ist das Team für jedermann offen, der mit ihm sprechen will. Zum Beispiel widmet sich Nieves Concostrina dem Firmieren ihrer Bücher, die der Entmythifizierung so vieler historischer Märchen wegen berühmt sind:



In gleicher Weise trifft sich die Leiterin des Programmes zusammen mit Mitgliedern ihrer Mannschaft mit dem Publikum:





Pepa Fernández wurde 2008 mit dem Premio Ondas a la Trayectoria Profesional dafür ausgezeichnet, daß sie ein offenes, vielseitiges, niemanden ausschließendes, unterhaltsames, anspruchsvolles Radio macht, in dem das Traditionelle und das Neue sich in überraschender Verträglichkeit verbinden (“por hacer una radio abierta, plural, no
excluyente, entretenida, culta y en la que lo tradicional y lo nuevo se
abrazan con sorprendente coherencia”).


Diese Zusammenfassung ist meinem Eindruck nach vollständig, ihr bleibt nichts hinzuzufügen.

Hoffen wir, daß dieses Projekt einer Bildung und Aufklärung verpflichteten Rundfunksendung nicht den Tendenzen zur Involution zum Opfer fällt, die derzeit in Spanien den Ton angeben und sich unter anderem hinter den Sparmaßnahmen verstecken, zu denen das Land sich gezwungen sieht.

Keine Kommentare: